Die ‚Künstlerischen Therapien‘ umfassen eine praxisorientierte Wissenschaftsdisziplin, die auf natur- und sozialwissenschaftlichen, medizinischen und psychologischen Erkenntnissen sowie Methoden basiert.
Im Zentrum ihrer Arbeit stehen das Leiden und die Bedürfnisse von Menschen unter der besonderen Berücksichtigung von deren Lebensrealität, deren Erwartungen, Bedürfnissen und Motiven, deren Teilhabe- und Mitgestaltungsfähigkeit. Bei den Künstlerischen Therapien wird davon ausgegangen, dass jeder Mensch in der Lage ist, auf kreative Weise zu seiner Gesundheit beizutragen.
Wesentlich ist ihnen die Grundannahme, dass das bildnerische Tun auf der aktiv-gestaltenden als auch auf der passiv- rezeptiven Ebene den Menschen zu beeindrucken und zu bewegen vermag. Dabei wird ihr Blick auf die individuellen Gestaltungsmöglichkeiten des Einzelnen, auf die vorhandenen Ressourcen und auf die Aktivierung des schöpferischen Potenzials des Menschen gerichtet. Durch die Unterstützung der körperlich, seelisch und geistig regulierenden und stabilisierenden Kräfte sind sie krankheitsvorbeugend wie -bewältigend.
Dem künstlerischen Werk und dem symbolischen Bildinhalt wird damit eine eigenständige therapeutische Ressource zugewiesen, die aus sich heraus Heilkräfte aktiviert und dann, wie ein homöopathisches Mittel Wirkkräfte entfalten kann, die einen heilenden Prozess einleiten oder auslösen können. Nicht immer steht eine gemeinsame Sprache zur Verfügung und nicht immer findet der Patient für das Erlebte Worte.
Patienten mit schweren Depressionen oder anderen Erkrankungen finden kaum zu einer Verbalisierung und können über das Medium der Künste einen Weg des Verständnisses und der Kommunikation entdecken. All diese Menschen haben das Bedürfnis verstanden zu werden.
In einem geschützten therapeutischen Rahmen kann dies ermöglicht werden – mit oder ohne Worte. Der äußere zur Verfügung stehende Raum wird zum kreativen Spielraum, Distanz zu schaffen, Neues zu finden und die Chance, in eine neue Handlungsweise zu gehen. Ebenso Interesse und Neugier zu wecken. Die im ursprünglichen Sinne verstandenen selbstheilenden kreativen Kräfte werden heute mit neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen verbunden und finden differenziert in den Kunsttherapien ihren Platz. Hieraus ergeben sich immer neue Fragestellungen zur Wirksamkeit und Anwendung der künstlerischen Therapie, besonders auch in Bezug auf aktuelle Entwicklungen.
Künstlerische Therapie bedeutet also nicht nur, im kreativen Prozess die eigenen Ressourcen zu entdecken, anzuwenden und zu verankern: Künstlerische Therapie trägt je nach Bedarf zur Bewusstwerdung und Bearbeitung von innerpsychischen Konflikten oder zur Distanzierung von ihnen bei. Beim kreativen Probehandeln kann ein Mensch neue heilsame innere und äußere Bezüge entwickeln, erkennen und integrieren.
Die Auseinandersetzung mit dem kunsttherapeutischen Produkt initiiert und unterstützt die Fähigkeit zur Differenzierung von Gefühlen und verbessert so die Affektmodulation und -regulierung. Die Reflexion des individuellen Gestaltungsprozesses unterstützt die Etablierung von überraschenden Perspektiven, effektiven Problemlösungsstrategien und neuen Sinnzusammenhängen. Auf diese Weise wird Selbstwirksamkeit nicht nur unmittelbar, sondern auch nachhaltig erfahren.